Nach einem Studium der Ostasiatischen Philologien und der Germanistik und längeren Aufenthalten in Japan, in Taibei, in Nanking (Nanjing) und Peking (Beijing) war ich fünf Jahre als Lektor für Chinesisch an der Johann Wolfgang Goethe-Universität tätig, um danach nach Bochum an das Landesspracheninstitut NRW (heute der Ruhr-Universität Bochum angeschlossen) zu wechseln. Dort leitete ich über dreißig Jahre das Institut für Chinesische Sprache (LSI Sinicum), bis ich schließlich 2017 in den Ruhestand ging.
Besonders interessant finde ich in der chinesischen Literatur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Phase der Auseinandersetzung mit der westlichen Literatur und westlichen Vorstellungen in dem Bestreben, europäische und amerikanische ästhetische, politische, ethische Werte und Normen in China zu propagieren. In diesem Zusammenhang beschäftigte ich mich zunächst mit dem Gelehrten, Schriftsteller und Politiker Guo Moruo 郭沫若 (1892‒1978), auf den ich aufmerksam wurde, als ich als junger Student die Bücherregale des Frankfurter Sinologischen Instituts durchstöberte und mir dabei seine chinesische Übersetzung des Goethe’schen Faust in die Hände fiel: Fushide 浮士德 . Einige Semester später schloß ich dann mein Studium formell mit dem Magister (MA) ab, wobei ein autobiographischer Text Guo Moruo’s (→ Heimao 黑貓 ) die Grundlage meiner Abschlußarbeit bildete.
Die Betrachtung dieser kulturellen Beeinflussung in der Neuzeit führte mich zu dem Versuch eines Vergleichs der geistigen und künstlerischen Werte und Maßstäbe Chinas und des Westens, wobei mir allmählich klar wurde, daß es dafür einer Identifizierung der wesentlichen Merkmale der chinesischen Kultur und Literatur vor einer Beeinflussung durch den Westen bzw. vor der Bewunderung westlicher Vorbilder bedurfte. Dies führte letzten Endes zu meiner Dissertation „Frühformen der chinesischen Autobiographie“, in der ich typische Merkmale chinesischer und westlicher Selbstdarstellungen, ihre Ähnlichkeiten und Unterschiede aufzuzeigen versuchte.
Während ich mich im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit am LSI-Sinicum fast ausschließlich mit dem modernen China und der heutigen chinesischen Sprache befaßte, hat mich die Begeisterung für die alte Sprache und Literatur Chinas nie verlassen, wie zuletzt mein Buch über die „Neunzehn Alten Gedichte aus der Han-Zeit“ (Gushi shijiu shou 古詩十九首 ), zeigt, das 2019 erschien.